Religionspädagogik ist ein fester Bestandteil der sieben Kindertageseinrichtungen und im ökumenischen Kindergarten St. Mauritius und evangelische Thomasgemeinde in unserer Pfarrei St. Bonifatius Wiesbaden. Die Gemeindereferentin Carola Müller besucht regelmäßig alle Kitas und den ökumenischen Kindergarten der Pfarrei. Sie unterstützt bei Planungen von Festen und Feiern. Carola Müller bietet außerdem zusammen mit Pastoralreferentin Stefanie Hanich Oasentage an. In allen Teams gibt es Fachkräfte für Religionspädagogik, die das Kirchenjahr in den Kitas planen und gestalten und religionspädagogische Angebote für die Kinder anbieten, um ihnen christliche Werte und die Feste und Feiern im Jahreskreis näherzubringen.
Im September 2022 begann ich die Weiterbildung zur religionspädagogischen Fachkraft, die das Bistum anbietet. Diese Weiterbildung endete in diesem Juni mit einem Kolloquium. Im kommenden Dezember erfolgt in einem festlichen Gottesdienst die Aussendung durch Bischof Georg Bätzing im Limburger Dom.
Die Inhalte der Weiterbildung zur Fachkraft Religionspädagogik waren unter anderem die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben
Kennenlernen von Methoden zur Vermittlung kindgerechter religiöser Inhalte
Kennenlernen von Methoden für die Bildung von Erwachsenen
Erproben der Methoden im Kita-Alltag
Erproben der Methoden im Kita-Team
Planung und Durchführung von Angeboten und Aktivitäten innerhalb der Teilnehmer Gruppe
Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Teilnehmenden
Planung und Durchführung von Aktivitäten innerhalb der Kita St. Bonifatius
Innerhalb meines Kurses hat mich der „Trommel-Erzähler“ Markus Hoffmeister nachhaltig beeindruckt. Er erzählt und trommelt biblische Geschichten. Teilnehmer, ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, können ihn dazu trommelnd begleiten. Ich bin immer noch nachhaltig berührt von der Energie, die freigesetzt wird, wenn 50 Trommeln erklingen. Und dazu z.B. das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus Sicht des Esels und der Tiere, die den Vorgang beobachtet haben, erzählt wird. Besonders möchte ich hier, neben der Wertevermittlung, die Komponente der Sprachentwicklung benennen. Die Trommel als Medium zum Erleben von Sprache bietet unzählige Möglichkeiten. Aus diesem Grund und weil es einfach auch sehr viel Spaß macht, wird in unserer Kita „Boni“ demnächst mit selbstgestalteten Trommeln erzählt und getrommelt werden. Näheres dazu in einer der nächsten Ausgaben des „Miteinander“.
Ebenfalls beeindruckt hat mich die einfache und zugleich komplexe Methode der „Erzählschiene“, erfunden und vermittelt von Gaby Scherzer. Die Erzählschiene bietet als Medium zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten, Kindern biblische Geschichten und vieles mehr näher zu bringen. Mit der Erzählschiene habe ich bereits im letzten Dezember „Das Kornwunder von Bischof Nikolaus“ didaktisch und methodisch erfolgreich mit den Kindern umgesetzt. Die Kinder waren fasziniert und wollten die Geschichte mehrmals hören und nachspielen.
Ebenfalls sehr gut angenommen ist die sog. „Kett-Pädagogik“, die ich schon bei sehr vielen unterschiedlichen Aktivitäten für die Kinder angeboten habe. Die Kett-Pädagogik lässt sich ebenfalls gut in der Erwachsenenbildung einsetzen, aber auch im Team und an Elternabenden.
Außerdem möchte ich die Vermittlung von Inhalten durch Lieder nicht unerwähnt lassen. Es gibt zahlreiche, wundervolle Lieder, die Kindern den Glauben näher bringen. „Bau ein Schiff, Noah!“, ist nur eines davon, das die Kinder lieben. Und da Noah auch eine wichtige Figur in den anderen monotheistischen Weltreligionen ist, lässt sich mit dieser Erzählung interkulturell arbeiten und Ansätze entwickeln, um Integration in der Kita zu leben. „Ein bisschen so wie … St. Martin“ ist ebenfalls ein beliebtes Lied, mit dem man Handlungsvorbilder in biblischen Geschichten begegnen und kennenlernen kann.
Im Verlauf des Qualifikationskurses habe ich die oben beschrieben Erzählungen und Methoden ausprobiert. Die Kinder zu begeistern und aktiv mit in die Einheiten einzubinden, fiel mir sehr leicht. Seit Jahren ist es mir ein Anliegen, ganzheitlich mit den Kindern zu arbeiten, möglichst viele Sinne bei Angeboten mit einzubeziehen, diverse Bildungsbereiche anzusprechen und vor allem eine Verbindung zur Erfahrungswelt der Kinder herzustellen.
Die Erfahrungswelt der Kinder spiegelt sich besonders in der Religionspädagogik wieder. Außerdem ist schon die alleinige Interaktion mit den Kindern, basierend auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes, religionspädagogische Arbeit. In dieser Hinsicht fällt uns in unserem Team der Kita St. Bonifatius auf, dass die zurückliegenden Jahren mit der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die allgemeinen Unruhen/Katastrophen im Kontakt mit den Kindern Herausforderungen in sich bergen. Meinen Kolleg*innen und mir zeigt sich vermehrt, dass Kinder, die unsere Einrichtung besuchen, schwerer in der Lage sind, sich zurückzunehmen, auf andere zuzugehen, Empathie zu zeigen und sich gegenseitig zu helfen. Erklärungsmodelle dafür sind schnell gefunden: der gesellschaftliche Wandel (weniger freie Zeit, Leistungsdruck, Medienkonsum etc.), extrem belastende Monate mit vielen Sorgen innerhalb der Familien und die entsprechende Reaktionen darauf (z.B. „Hamsterkäufe“, Unmut über Bestimmungen), das Verschwinden und/oder Vermischung von Traditionen, Werten und Moralvorstellungen, die Veränderungen von Rollenbildern, die Zunahme von dem übermäßigen Beharren auf dieses oder jenes eigene Recht (auch schon im frühen Kindesalter). Die Liste wäre leicht weiter fortzuführen, aber eines ist klar: Kinder bekommen alles mit, sowohl an Stimmungen als auch an Verhalten, dass ihnen vorgelebt wird, und dies übernehmen sie in der Regel. So bleibt nicht selten echtes Mitgefühl, Empathie und vor allen Dingen Solidarität auf der Strecke, was in mir das Bedürfnis weckt, dem etwas entgegenzusetzen. Im Verlauf der zurückliegenden Monate habe ich mich deshalb auch inhaltlich mit den Begriffen Selbstbestimmung, Autonomie, Empathie, Solidarität befasst und auseinandergesetzt. Die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ist dem Menschen angeboren und stellt u.a. das eigene Überleben sicher. Soziale Verhaltensweisen müssen erst im Umgang mit anderen Menschen erlernt werden. Wie der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagt: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“
Ganz klar formuliert SGB VIII in §22 (2) den Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen: Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen zu allererst „die Entwicklung des Kindes zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern“.
Die Unterstützung der Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen ist schon immer ein wichtiger Aspekt in der täglichen Arbeit mit den Kindern. Heute vielleicht mehr denn je. Auch merke ich, dass es oft schwierig ist, (scheinbar) gegensätzliche Aspekte zusammenzuführen, wie beispielsweise Partizipation mit Verbindlichkeiten (z.B. Absprachen oder Regeln betreffend), das Recht auf freien Willen und Selbstbestimmung mit den Grenzen meines Gegenübers und der Gruppe. In vielen dieser Paare geht es für mich um die rechte Balance zwischen Autonomie und Solidarität. Ein Drahtseilakt, der im Kindergartenalltag schon immer spürbar war, nun aber, vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen, sich immer schneller ändernden Situationen und Lebenswelten mehr Schwierigkeiten mit sich bringt. Wir bemühen uns trotz der Problemstellungen bei der Begleitung der Kita-Kinder, ihnen Werte für ein gutes Miteinander mitzugeben und hoffen, dass sie fruchtbringend sind.
Eine weitere elementare Methode innerhalb der Kindergartenpädagogik ist die sprachliche Begleitung des Alltags. Dies gilt natürlich auch für Konfliktsituationen. Den Jungen und Mädchen Worte für ihre Gefühle zur Verfügung zu stellen, ist nur eine Methode, wie ich Kinder in ihrer Entwicklung (im sozial-emotionalen Bereich) unterstützen kann. Singspiele, Material für Rollenspiel, Handpuppen oder die Erzählschiene ermöglichen Kindern ebenfalls, in jegliche Rolle zu schlüpfen und alles einmal auszuleben. Hier werden bei Erzählungen aus der Bibel, insbesondere in den Darstellungen aus dem Leben Jesu Beispiele für den gelungen und wünschenswerten Umgang miteinander aufgezeigt. Dies kann für Kinder zugleich Spiegel des eigenen Verhaltens (oder Erlebens im (Familien-)Alltag) und Anstoß und Wegweiser für eine Veränderung sein.
Für mich persönlich war es großartig, so viele praktische Ideen und Methoden durch den Qualifizierungskurs vermittelt bekommen zu haben, die so leicht umsetzbar sind. Außerdem hat meine Teilnahme an den Einheiten in Montabaur, Dernbach oder Naurot mich auch immer wieder neu dazu angeregt, mich selbst und meine Einstellung und Gedanken und mein Handeln zu reflektieren.
Es muss uns allen bewusst sein, wie wichtig Handlungsvorbilder heute sind. Kindern Vorbilder an die Hand zu geben, die für eine gesunde Welt und ein solidarisches Miteinander stehen. Doch kann diese Botschaft nur vermittelt werden, wenn sie sich auch in meinem ganz persönlichen Tun widerspiegelt. Das ist unser Bemühen und unser Anspruch als Erzieher*innen in einer katholischen Einrichtung. Wir können und möchten in unseren Gruppen gute Vorbilder für die uns anvertrauten Kinder sein und zugleich eine gute pädagogische und auch religionspädagogische Arbeit tun. Das erlebe ich immer wieder, gerade auch in kleinen Momenten des Kita-Alltags, was mich froh macht und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen lässt.
Herzlich danke ich der Pfarrei St. Bonifatius und meinen Kolleg*innen für das Ermöglichen meiner Teilnahme an dieser bereichernden Fortbildung.
Pia M. Senft, Erzieherin in der Kita St. Bonifatius