Seit zwei Jahren treffen wir auf Schritt und Tritt auf unsere grundlegenden Ängsten. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, diese Ängste näher anzuschauen.
Sie können diesen Artikel am Stück lesen. Sie können ihn auch abschnittsweise lesen und sich Zeit nehmen für die Fragen, die Sie persönlich bewegen.
Was alles auf uns einstürmte – ein Blick zurück auf die Zeit mit „Corona“ und auf den aktuellen Krieg in der Ukraine
Phase 1
Unbekannte Viren verunsichern – Angst vor Ansteckung, einem ernsten Verlauf und dem Verlust von Menschen, die uns nahe stehen – Angst vor dem eigenen Sterben.
Vieles ist nicht mehr planbar – bisherige Regelungen und Gesetze gelten nicht mehr (z.B. Öffnungs- und Schließzeiten, unbefangener Umgang miteinander) – Gefühl der Isolation und Trennung durch Quarantäne und Maßnahmen – Kontrollverlust – unsere Zukunft wird ungewisser.
Wie geht es mir in dieser Situation? Kann ich offen über meine Sorgen sprechen oder muss ich „funktionieren“?
Phase 2
Eine Antwort auf diese vielfältigen Verunsicherungen ist für viele Menschen die Aussicht auf einen wirksamen Impfstoff. Die Impfung wird vom Großteil der Bevölkerung angenommen, es gibt allerdings auch kritische Stimmen.
Konflikte zwischen unterschiedlichen Positionen wirken in Familien, unter Freunden und ArbeitskollegInnen. Der „Korridor der Kommunikation“ wird enger. Man meidet „das Thema“, es entstehen scheinbar unüberbrückbare Gegensätze.
Das Prinzip „Belohnung und Sanktionen“ wird eingeführt.
Bin ich stark betroffen von diesen Konflikten? Wie verändert sich das Klima im sozialen Umfeld, in der Gesellschaft?
Was beeinflusst meine Entscheidung für oder gegen die Corona-Maßnahmen?
Phase 3
Was jetzt auf uns einstürmt
Krieg in der Ukraine – beängstigende Bilder und Nachrichten – Angst vor einem 3. Weltkrieg, vor Inflation und Armut – und Mangel in der Grundversorgung – Wie bewältigen wir den Zustrom von weiteren Geflüchteten?
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob wir unser vertrautes Leben zurück bekommen oder von vielem Abschied nehmen und uns neu ausrichten müssen?
Woher nehme ich die Kraft, mit all dem umzugehen?
Was hat mir bisher in schwierigen Situationen geholfen?
Wie kann ich angesichts so rasanter Veränderung und großer Last aufatmen und durchatmen?
Welche Position nehme ich ein in Bezug auf politische Entscheidungen in Deutschland? Wo engagiere ich mich für andere?
Ich hoffe, einige Fragen sind hilfreich für Sie.
In den ersten Wochen von Corona war auch ich in meinen Ängsten gefangen. Das erschien mir zwar „normal und natürlich“, fühlte sich allerdings sehr eng und unangenehm an. In einem Artikel über Ängste las ich, dass wir im Zustand der Angst nur einen Teil unseres Gehirns gebrauchen können und nur bedingt handlungsfähig sind. Ich habe in den beiden Lockdowns viel gelesen und mich mit Freunden im Rahmen der Möglichkeiten ausgetauscht. Dabei bin ich auf Frauen und Männer gestoßen, die die Situation nicht nur erleiden, sondern sie als wichtige Lernerfahrung und Lebenszeit erfahren.
Folgende Begegnungen teile ich gerne mit:
Einige wenige Menschen in unseren Altenheimen strahlen trotz massiver Einschränkung eine innere Gelassenheit aus; eine Dame hat zu mir gesagt: „Ich weiß ja, dass ich irgendwann sterben muss, aber ich weiß doch, wohin ich gehe“. Die Zuversicht und Gelassenheit von „Lebenserfahrenen“ hilft mir, Abstand zu gewinnen zu den eigenen Sorgen und Ängsten.
Die Stärke anderer ist, sich fundiert zu informieren und diese Infos zu teilen. Sie haben mir geholfen, „Gefahrensituationen“ realistischer einzuschätzen.Einige Bekannte kommen aus der Angst, indem sie aktiv werden, z.B. indem sie sich mit anderen vernetzen. Andere finden Halt und Sinn im Gebet und der Kontemplation. Beides kann sich gut ergänzen.
Konzentrierte Zeiten der Betrachtung und echte Begegnungen können den Weg aus der Angst ins Vertrauen unterstützen.
Menschen, die eine innere Freiheit ausstrahlen ermutigen andere, eigene Schritte ins Unbekannte zu gehen und die bestmögliche Lösung zu finden.
Eine Heilige, die diese Freiheit verkörpert, ist die Hl. Martha. Sie tötet das Ungeheuer, den Drachen nicht, sondern zähmt ihn. Auf Abbildungen führt sie den Drachen an der Leine. Wenn der Drache für unsere Ängste, unsere Verzagtheit und unsere dunklen Seiten steht, könnte das heißen: Die Angst ist nicht weg, aber sie bedroht uns nicht länger.
Immer wieder werden Menschen im Ersten / Alten Testament ermutigt, in ihrer Angst einen Schritt weiterzugehen und den „Bannkreis der Angst“ zu verlassen. Von Abraham und Sara, Mose, Saul, König David, „dem Volk“, dem Propheten Elija und vielen anderen wird berichtet, dass sie sich fürchten. „Fürchte dich nicht und hab keine Angst, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir bei allem, was du unternimmst.“ So steht es im Buch Josua 1,9 und in vielen weiteren Schriftstellen. Zum Lesen und Meditieren eignet sich auch Jesaja 43, 1-7.
Gibt es eine Bibelstelle im Neuen / Zweiten Testament, die für Sie Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt”?
Und weil Singen immer hilft bei Angst und niedergedrückter Stimmung, gebe ich Ihnen zum Schluss noch einen Kanon aus Taize mit auf den Weg:
Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht. Christus, meine Zuversicht,
//:auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht. ://
Ich wünsche Ihnen in dieser Ferien- / Sommerzeit freies Durchatmen, Licht, Freude und Vertrauen in das Leben!
Marion Lindemann, Gemeindereferentin