St. Bonifatius Wiesbaden

175 Jahre St. Bonifatiuskirche

GemeindebriefKatarzyna Klöckner

Die Baugeschichte

Nachdem die alte Regel: cuius regio, eius religio (wie die Regierung, so die Religion) in den nassauischen Landen Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr funktionierte und es immer mehr katholische Untertanen gab, keimte bei den Fürsten die Idee, einen der Residenzstadt würdigen, katholischen Kirchenbau zu ermöglichen.

Diese Kirche sollte ursprünglich den Hl. Petrus und Paulus geweiht werden. Im Zuge der aufkeimenden nationalen Bewegung nach den napoleonischen Kriegen wurde dann das Patrozinium St. Bonifatius, der in dieser Zeit zum „Apostel der Deutschen“ erklärt wurde, gewählt.

Wo die Kirche errichtet werden sollte, war lange umstritten und viele mögliche Standorte wurden dann letztlich verworfen. Zuletzt wurde der Standort am Luisenplatz bestimmt. 1827 erhielt nach einer Ausschreibung der nassauische Hofbaumeister Ludwig Schrumpf den Zuschlag. Er plante, passend zur Gesamtanlage des Luisenplatz, einen Bau im vorherrschenden Neoklassizismus, im Inneren eine Rotunde (Rundbau) und nach außen ein Kreuzbau. Die Fassade zum Platz hin hatte die Form eines antiken Tempels, von zwei schmalen Türmen eingerahmt. Doch durch Pfusch am Bau stürzte dieser kurz vor der Weihe in sich zusammen. Gott sei Dank kam dabei niemand zu Schaden.

Wieder ging die Suche nach dem Standort und nach den Finanzmitteln los. Der Fürst kaufte der Pfarrei den Bauplatz wieder ab, um dort sein Stadtschloss zu errichten. Als dann das Schloss doch am heutigen Ort gebaut wurde, war der Standort am Luisenplatz wieder frei. Fürst Adolf von Nassau überließ den Bauplatz der Pfarrei und der nassauische Oberbaurat Philipp Hoffmann erhielt den Auftrag zum Bau der zweiten Bonifatiuskirche. Dieser Architekt hatte in Wiesbaden noch zwei weitere Sakralbauten errichtet: die Russisch-Orthodoxe Kirche zur Hl. Elisabeth auf dem Neroberg und die durch die Barbarei der Nazis später zerstörte Synagoge am Michelsberg.

Inzwischen hatte sich aber der Bau-Geschmack verändert: Im Zuge der romantischen Bewegung und ihrer Verklärung des Mittelalters sollte ein „christlicher“, d.h. gotischer Baustil gewählt werden. Um mit der klassizistischen Bebauung zu harmonisieren, verband Hoffmann in seinem Plan deshalb gotische Bauformen mit dem antiken Rundbogen.

Am Bonifatiustag, dem 5. Juni 1845, wurde der Grundstein gelegt. Am 19. Juni 1849 wurde die, allerdings weder außen, noch innen fertige Kirche von Bischof Peter Josef Blum geweiht.

Die Türme wurden erst in den Jahren 1863 bis 1866 fertiggestellt.

Hoffmann hat die Bonifatiuskirche als eine Hallenkirche (Haupt- und Seitenschiffe haben die gleiche Höhe) auf einem Grundriss in Kreuzform errichtet, wobei das Langhaus und das Querschiff die gleiche Breite haben.

Das 20. Jahrhundert brachte zwei wesentliche bauliche Veränderungen: Beim Bombenangriff vom 2. Februar 1945 erlitt unsere Kirche schwere Schäden. Dabei gingen die farbigen Glasfenster verloren und das Gewölbe stürzte zu weiten Teilen ein. Nach dem Krieg wurde mit bescheidenen Mitteln repariert, das Gewölbe wurde im Hauptschiff durcht eine Kassettendecke ersetzt und erst nach einiger Zeit baute man neue farbige Fenster ein. Die zweite Veränderung erfolgte dann bei grundlegenden Umgestaltungen nach dem II. Vatikanum. Die umstrittenste Veränderung war der Abbau des Hochaltars des Biebricher Bildhauers Karl Hoffmann. Es blieben nur die Mensa (Altartisch), die Kreuzigungsgruppe und die beiden Heiligenfiguren des Hl. Franziskus und der Hl. Teresa von Avila.

St. Bonifatius – Mutterkirche, Pfarrkirche, Stadtkirche

Unsere St. Bonifatius Kirche ist für uns in Wiesbaden nicht irgendeine der vielen Kirchen der Stadt. Der Treppenwitz der Geschichte ist, dass im, wenn auch heutzutage nur noch gefühlt, protestantischen Wiesbaden unsere Kirche die älteste ist, da 1850 die damalige evangelische Stadtkirche St. Mauritius nach einem Brand abgetragen wurde. Gut, in den später zu Wiesbaden hinzugekommenen Stadtteilen gibt es noch ältere Kirchengebäude. Auf alle Fälle ist St. Bonifatius die älteste und größte katholische Kirche ganz Wiesbadens. Aus der Pfarrei sind dann bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts drei Pfarreien (heute Kirchorte) hervorgegangen: zuerst Maria Hilf, dann Dreifaltigkeit und St. Elisabeth. Die Veränderungen der Bevölkerung Wiesbadens u.a. durch Zuzug nach dem 2. Weltkrieg führte dann zu weiteren Pfarreigründungen. Die zunehmende Säkularisierung und die damit verbundenen Probleme führten dazu, dass, wenn auch in anderer Form, diese Gemeinden quasi wieder in den Schoß der „Mutterkirche“ zurückgekehrt sind. Dies wird zwar in den Kirchorten oft noch als schmerzhaft empfunden und das Bewusstsein, dass die „Boni“ unser gemeinsamer Ort ist und eben nicht die vereinnahmende Zentrale, wird noch nicht wahrgenommen! Wenn wir unsere Kirchorte als „Kirche vor Ort“ im Quartier verstehen lernen, dann sehen wir auch unsere Pfarrkirche als „Kirche vor Ort“ in der Stadt! Sie ist die Stadtkirche! Dies hängt nicht daran, dass der Pfarrer von St. Bonifatius von Anfang an den Titel „Stadtpfarrer“ trägt und später, bis zum Mai dieses Jahres, der Errichtung der Region, immer auch „Stadtdekan“ war. Wenn in Wiesbaden an „Katholisch“ gedacht wird, wird an die Bonifatiuskirche gedacht! Von unserer Pfarrkirche sollten deshalb unsere Impulse in die Stadtgesellschaft ausgehen und das ist unsere gemeinsame! Aufgabe!

Wir nutzen nicht einmal annähernd unsere Chancen, die in der Lage und im Ansehen unserer Pfarrkirche liegen, um das, was wir vom Evangelium her zu bieten haben, in die Stadtgesellschaft zu tragen!

Nutzen wir unser Jubiläumsjahr und scharen wir uns um unsere Mutter-, Pfarr- und Stadtkirche, um in unsere Stadt hinein zu wirken!

Pfr. Matthias Ohlig