Brücken — St. Bonifatius Wiesbaden

St. Bonifatius Wiesbaden

Brücken

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Was Brücken für unser Zusammenleben bedeuten

In dem hessischen Städtchen an der Lahn, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es zwei Brücken, die den Ortsteil „Sachsenhausen“ mit der Kernstadt verbinden. Eine Holzbrücke und eine Steinbrücke, die aus groben, grauen Steinblöcken zusammengefügt ist. Beide Brücken sind ästhetisch und architektonisch unbedeutend. Die Bedeutung liegt in ihrer Funktion. Brücken schaffen die Grundlage für den Austausch von Gütern und Menschen.

Die alte Steinbrücke hat für mich einen starken emotionalen Wert: soweit meine Erinnerung zurückreicht ist sie da - stabil und zuverlässig. Die Brücke hat allen Hochwassern stand gehalten, selbst wenn dicke Baumstämme mit Wucht an den Brückenpfeiler prallten und das Wasser bedrohlich über alle Ufer trat.

Ich lade Sie ein, einen Moment inne zu halten und sich die Brücken in Erinnerung zu rufen, die für Sie eine Bedeutung haben.

Vielleicht ist vor Ihrem inneren Auge ein beeindruckendes Bauwerk aufgetaucht – weltberühmte Brücken aus Rom, Budapest, Manhattan. Oder die Erinnerung aus einem unvergesslichen Urlaub in der Schweiz, Italien …

Brücken sind so verschieden: von der schwankenden Hängebrücke im Baumwipfelpfad bis zu architektonischen Meisterwerken.

In Wiesbaden, Mainz und im Umland erleben wir seit Jahren die dramatischen Auswirkungen einer instabilen oder nicht vorhandenen Brücke.

Diese Brücke sind für mich Symbole für das, was die meisten im Alltag erleben: etwas, das lange Zeit zuverlässig und fest war, das uns getragen hat, zerbricht. Verbindungen sind unterbrochen und wir fragen, wie es weitergeht. Viele, bis vor einigen Jahren unbekannte Unsicherheiten bestimmen unser Leben. Die Corona- Krise mit ihren vielen Auswirkungen auf unser Leben. In der Ukraine hat ein Krieg begonnen – mit unabsehbaren Folgen für uns alle.

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und schauen Sie sich an, was sich in der letzten Zeit in Ihrem Leben, in unserer Gesellschaft und Kirche verändert hat – ist etwas Tragendes ins Wanken geraten, etwas, auf das Sie bisher fest gebaut haben?

Wenn Sie mögen, können sie einen Schritt weiter gehen:

Spüren Sie, was diese Veränderungen – auch die Veränderungen, die Sie künftig erwarten – bei Ihnen auslösen.

Vielleicht möchten Sie ihre Erkenntnisse festhalten, z.B. in einem Tagebuch. Vielleicht sind Sie eher jemand, der darüber sprechen möchte – mit Freunden oder auch mit einem Seelsorger, einer Seelsorgerin, der/die Ihnen zuhört. In unserer Gemeinde gibt es z.B. das Angebot des Gesprächs- und Beichtzentrums in der St. Bonifatiuskirche.

Vielleicht gehören Sie auch zu denen, die sich bereits mit anderen vernetzt haben und die sich austauschen, wie eine menschenfreundliche, lebenswerte Zukunft aussehen könnte.

Ich werde in dieser Fastenzeit, an deren Anfang ich heute stehe, zwei Brücken bauen. Beide sind klein, doch ich vertraue darauf, mit anderen „Brückenbauern“ immer wieder Kraftquellen zu entdecken.

Meine erste Brücke ist meine persönliche „Klagemauer“. Ich schreibe regelmäßig Namen oder Gruppen von Menschen auf, die unter persönlichen Schicksalsschlägen und unter der jetzigen Situation besonders leiden. An manchen Tagen steht dort auch mein Name.

Jeden Tag zünde ich eine Kerze an für diese Menschen und verweile im Gebet. Damit verbinde ich mich mit diesen konkreten Menschen und mit Gott.

Meine zweite Brücke ist das Vertrauen, dass hinter jedem Tod neues Leben auf uns wartet. Und dass nichts und niemand uns dieses Leben nehmen kann. Die Karwoche und die Osterzeit führen uns in komprimierter Form durch Bedrohung, Angst, Macht und Ohnmacht, Ungerechtigkeit und Leiden. Jesus ist durch Ohnmacht, Angst, körperliche und seelische Schmerzen hindurch gegangen in den Tod.

Das ist – so glauben wir Christen – nicht das Ende. Sterben und Tod sind der Durchgang zu einem Leben im Licht, im Frieden, einem Leben bei Gott.

Bei ihm, bei ihr (der mütterlichen Seite Gottes, die in der Bibel einen festen Platz hat) ist Leid und Tod überwunden. Deshalb gehen wir in der Osternacht vom Dunkel ins Licht. In der morgendlichen Osterfeier in St. Elisabeth können wir es mit allen Sinnen erfahren: während des österlichen Gottesdienstes geht die Sonne auf und ein neuer Tag bricht an. Halleluja.

Mit diesem Artikel laden wir Sie, unsere Leserinnen und Leser, ein, Ihre „Brücken – Erfahrungen“ miteinander zu teilen. Schreiben Sie in ein, zwei Sätzen, wo Menschen Brücken zueinander bauen in dieser herausfordernden Zeit. Vielleicht sind Sie selbst so ein Brückenbauer ... Teilen Sie Ihre Erfahrungen. Viel Freude beim Entdecken alter und neuer Brücken und Verbindungen!

Marion Lindemann, Gemeindereferentin