Das warme und freundliche Leuchten der Kerzen am Adventskranz nährt in uns Menschen jedes Jahr aufs Neue eine tiefe Sehnsucht nach Frieden. Da mag zunächst jener Wunsch in uns aufsteigen nach dem inneren Frieden unseres Herzens. In unserer lauten und schnellen Welt, die sich so rasend verändert, wünschen wir uns eine Pause zum Innehalten und Durchatmen, damit wir nicht rastlos durchs Leben eilen und dabei oft Wesentliches aus dem Blick verlieren. Unruhig wird unser Herz im Blick auf die sich immer stärker vordrängende Erfahrung der Endlichkeit unseres Lebens. Der Rückblick auf das nun zu Ende gehende Jahr offenbart uns, wie rasch die Zeit doch wieder vergangen ist und wie viel Vordergründiges und Unwichtiges sich unserer Zeit bemächtig hat. Eine Unruhe des Herzens kommt auf, wenn wir erkennen, dass wir Gott und dem Nächsten mehr Raum hätten geben sollen und uns das ja auch glücklicher gemacht hätte. Dabei wird die Herkunft der Friedlosigkeit des Herzens aufgedeckt: Unser Versagen und unsere Verfangenheit in Schuld. Und dann gibt es noch die großen Zusammenhänge des Weltgeschehens um uns, die uns nicht nur den Frieden des Herzens nehmen, durch den Schrecken und die Angst, die sie verbreiten: Das Wort „Krise“ ist uns zum Alltagswort geworden mit der tiefen Sorge um den Erhalt unserer Schöpfung, mit der Erfahrung einer Pandemie, die so vieles verändert hat, mit dem Mangel an zur Verfügung stehender Energie; zu aller erst aber fallen uns die kriegerischen Konflikte ein, ob in fernen Ländern oder bedrückend nah bei uns in Europa in der Ukraine. Unfassbares Leid, das über so viele Menschen gekommen ist. Ja wir wünschen uns Frieden für die ganze Welt.
Frieden ist ein wesentlicher Bestandteil der Weihnachtsbotschaft. Die Engel verkünden die Menschwerdung Gottes, die Geburt Jesu Christi mit diesen Worten: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden bei den Menschen seiner Gnade.“ Aber bringt Weihnachten wirklich den Frieden?
Aus dem ersten Weltkrieg sind die Berichte vom sogenannten Weihnachtsfrieden im Jahre 1914 bekannt geworden. Die Soldaten an der deutsch-britischen Front waren des Kämpfens bereits müde geworden. Es wurde berichtet, dass manche Soldaten in ihren Gräben Weihnachtslieder angestimmt hätten und dass der Gegner dies daraufhin ebenfalls gemacht hätte. Für einen Moment lang wurde inmitten des Krieges sichtbar, dass es mit Weihnachten eine Überzeugung gab, welche die Soldaten auf beiden Seiten miteinander verband und damit die ganze Sinnlosigkeit, Unmenschlichkeit und Falschheit des Krieges freilegte. Es wurde nicht mehr aufeinander geschossen. Man traf sich im Niemandsland und tauschte unter anderem Kuchen und Weihnachtsgebäck aus. Man hat sogar miteinander ein wenig Fußball gespielt und sogar gemeinsam Gottesdienst gefeiert. Das Fest der Menschwerdung Gottes und der Krieg passen eben einfach nicht zusammen. Freilich wissen wir, dass dieser Weihnachtsfrieden leider nur ein kurzer Augenblick war und der Krieg mit seiner ganzen Grausamkeit zurückkehrte und noch lange und unbarmherzig weiterging.
Diese kleine Episode zeigt immerhin, dass sich Weihnachten und die Gewalt des Krieges einander ganz und gar ausschließen und dass eine wahre weihnachtliche Überzeugung die Menschen im Frieden zusammenbringt. Das Kind in der Krippe, um das es ja schließlich geht, ist ja der, der später gesagt hat: Selig, die Frieden stiften; selig, die keine Gewalt anwenden; selig die Barmherzigen. Wo der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus wirklich zur Überzeugung wird, dort entfaltet sich eine friedensstiftende Kraft. Diese gründet nicht zuletzt im Frieden des Herzens, der uns auch von Jesus her geschenkt ist. In ihm ist der gekommen, der uns wirklich vergibt, weil er uns liebt. In ihm ist der gekommen, der sich uns ganz hingegeben und geschenkt hat, sodass wir sein ewiges Leben haben dürfen. Das ist es, was uns den wahren Frieden des Herzens schenkt und unser Herz neu schlagen lässt für Gott und den Nächsten. So wünsche ich allen ein friedvolles, frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Pfarrer Klaus Nebel, Stadtdekan