St. Bonifatius Wiesbaden

Drei Jahre Samstag für Samstag

Aus dem Leben der Pfarrei, Aufsuchende Seelsorge, GemeindebriefPhilippe Jaeck

Projekt: CityPastoral in der St. Bonifatius Kirche

Am 1. Dezember 2018 (Samstag vor dem 1. Advent) hat es begonnen. Seit diesem Datum bietet unsere St. Bonifatius Kirche jeden Samstag in der Zeit von 11 bis 13 Uhr (außer wenn Gottesdienste oder Veranstaltungen in der Kirche sind) nicht nur offene Türen, sondern auch Ansprechpersonen! Ein kleine Gruppe von Frauen und Männern wechseln sich ab, um Besuchern mit Rat und Tat zur Verfügung zu stehen..

Wie kam es dazu? Als ich im Mai 2017 als Kooperator in der Pfarrei begonnen habe, war mir schnell klar, dass die besondere Lage der St. Bonifatius-Kirche eine so herausragende Lage in der Mitte der Stadt besitzt, was so viele Chancen bedeutet, die allerdings nicht genutzt werden. Zusammen mit Pastoralreferentin Anna Niem kamen erste Überlegungen, was wir da tun können. Dietmar Horsmann, der hellhörig im Pfarrgemeinderat wahrgenommen hatte, dass ich an dieser Frage interessiert war, berichtete von einem „ersten Aufschlag“ einer „Gruppe CityPastoral“ zur Zeiten von Kaplan May. Da ich noch neu in der Pfarrei war, war es Anna Niem, die Menschen gefunden hatte, die davon begeistert waren. Wir überlegten, planten, bereiteten uns vor, u.a. mit Ratschlägen eines kompetenten Mitarbeiters der Telefonseelsorge, und dann: wir fangen einfach an!

Eben am 1. Dezember startet die Aktion:
„immer samstags“!

Die Tür vom Luisenplatz her steht demonstrativ auf, ein Plakatständer lädt ein und vor einem großen Plakat mit dem Logo der Aktion finden Besucher einen Menschen, der für sie ansprechbar ist, ob für Touristen („Oh, Boniface, Apostle of the Germans, I know“) oder besondere Besucher, wie der nichtchristliche Inder, der mit einer Christin verheiratet ist und immer wieder unsere Kirche als spirituellen Ort für sich entdeckt hat. Aber auch Menschen, die, weil sie nicht lesen und schreiben können, um Hilfe beim Ausfüllen von Formularen bitten …

Selbst Corona hat diese Aktion von gerade mal sechs Menschen vom Kirchort St. Bonifatius nicht stoppen können. Es ist ein wichtiges, oft forderndes und leider von der Pfarrei übersehenes Engagement! Von daher hat es mich gefreut, dass die Gruppe bei der Visitation durch unseren Bischof gewürdigt und darüber auch in der Presse berichtet wurde. (Bedauerlich nur, dass im Kurier auf dem Foto nur Kleriker und nicht die Aktiven zu sehen waren!) In der Gruppe gibt es noch viele Ideen, gerade auch um aus dem Kirchengebäude heraus zu gehen. Doch diese kleine Gruppe ist dem Dienst samstags völlig ausgelastet. Ich würde mir sehr wünschen, wenn dieser Artikel dazu beiträgt, dass wir in der ganzen Pfarrei, auch und gerade in den anderen Kirchorten, die Bedeutung von einer Cityseelsorge erkennen!

Die Chance der St. Bonifatiuskirche zu nutzen, schwächt nicht den Kirchort, sondern im Gegenteil, nützt allen in der ganzen Pfarrei!

Für die Gruppe „CityPastoral“: Pfarrer Matthias Ohlig

CityPastoral ist ein Potpourri an Begegnungen mit einzigartigen Menschen. Wenn ich am Samstag um 11 Uhr die Tür der Bonifatiuskirche öffne, weiß ich nicht, was mich erwartet. Jeder dieser Menschen, die die Kirche besuchen, trägt einen Rucksack mit seiner Lebensgeschichte, die er entweder für sich behält oder auch gerne mit mir teilt. Es sind Lebensgeschichten, die mich zum Lachen bringen, andere zum Nachdenken und welche, die mich sehr berühren. City Pastoral ist ein Ort der Begegnung, wo ich Schicksale ganz nahe mitbekomme. Wo ein Vater mit seinen drei Kindern in der Tür steht, und mir erzählt, dass seine 35-jährige Frau an Covid-19 verstorben ist und einfach jemanden braucht zum Reden, zum Zuhören, um da zu sein. Es sind Momente, wo eine Frau hereinkommt, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig ist und Hilfe bei ihrer Korrespondenz erbittet. Die ich über einen längeren Zeitraum begleitet habe, um dann die Einzige auf ihrer Beerdigung zu sein, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Es sind aber auch solche Begegnungen, wo ein achtjähriger, fast erblindeter Junge vor einem steht und sagt: „Zeige mir die Kirche, wie Du sie siehst.“ Mit diesem Jungen konnte ich mich über Gott, Glaube und Lebensfreude offen austauschen und es war eine Freude, die einem Kraft gibt. Das alles und viel mehr ist Citypastoral! Für jede dieser Begegnung bin ich dankbar und ich möchte nicht eine Minute davon missen.
— Simone Haack
Ganz aktuelle Erfahrungen: „Beim letzten Dienst am vergangenen Samstag (9. Oktober) kam eine ältere Dame auf mich zu und erzählte, dass sie neu nach Wiesbaden gezogen sei und nun nach Angeboten für ältere Menschen in der Pfarrei und eine Ansprechpartnerin suche. Ich konnte sie mit etwas Informationsmaterial versorgen und ihr Schwester Katrina benennen mit deren Kontaktdaten.

* Eine Neubürgerin aus Pilsen erkundigte sich nach Orgelkonzerten in der Boni
* Über Fragen von Touristen zu den Fenstern entspann sich ein Gespräch über die Geschichte der Pfarrkirche.
* Beim letzten Erstkommunionkurs bekamen die Kinder den „Auftrag“, bestimmte Heiligenfiguren in der Kirche zu suchen und zu finden. Begleitende Eltern waren zum Teil überfordert und dankbar, dass ich behilflich war bei der Suche und sich darüber nette Gespräche mit den Kindern (und den Eltern) über die Bedeutung der Heiligen ergaben
* Viele Menschen bedanken sich einfach, dass wir da sind und ansprechbar.
— Dietmar Horsmann
Persönliche Eindrücke gab’s sicherlich viele in den letzten drei Jahren, insbesondere die vielen Touristen, die sich für die Boni interessierten, aber auch die Gespräche mit Besuchern im Corona-Lockdown. Zwei Gespräche sind mir im Gedächtnis geblieben: ein Trauergespräch mit einer älteren Dame, die gerade ihren Mann verloren hatte und ein Gespräch mit einem Langzeitarbeitslosen. Beide Gespräche waren für mich sehr berührend und für die Betroffenen erleichternd.
— Markus Frenzel
Ich sehe meinen Dienst so, dass ich ein kleines Sprachrohr der Gemeinde bin, Zuhörer für alle möglichen Belange, Seelentröster, auch einfach nur zum „Quatschen“ da bin. Schön ist es immer, wenn Menschen kommen, von früher erzählen, da mich auch einige kennen und man somit viele Erinnerungen an Stadtdekane, Kapläne, pastorale Mitarbeiter hat, und, und, und...
Ich gehe auch nicht auf die Menschen zu, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass es den meisten lieber ist, von sich aus zu kommen.
— Maria Fuchs