St. Bonifatius Wiesbaden

Gemeindebrief

Zeit der Ernte – Zeit der Veränderung

GemeindebriefPhilippe Jaeck

Liebe Gemeinde,

für mich hat der Oktober viele Gesichter. Ich genieße die milden Temperaturen nach einem heißen Sommer und das goldene Sonnenlicht, das durch die bunten Blätter scheint. Oktober ist für mich das Gelb der Stoppelfelder und das tiefe Blau des Herbsthimmels. Oktober ist Erntezeit. Ich freue mich über das Gemüse aus dem Garten, über den knackigen regionalen Apfel oder den süß-sauren Geschmack von frischem Federweißen.

Im Oktober feiern wir in den Gemeinden Erntedank und danken ausdrücklich Gott für die vielfältigen Gaben, die er uns geschenkt hat. Im Sonnengesang des Heiligen Franziskus wird diese achtsame Haltung deutlich: „Gelobt sei Schwester Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt, mit bunten Blumen und Kräutern.“ Im Glauben, dass Gott uns die Welt geschenkt und anvertraut hat, erkennen wir Christen auch die Verantwortung, die wir für diese haben. Als Teil der Schöpfung erleben wir am eigenen Leib, was es bedeutet, wenn diese Schöpfung leidet. Der Klimawandel und die Umweltschäden machen uns Menschen selber mehr und mehr zu schaffen. Papst Franziskus ermutigt uns in seiner Enzyklika „Laudato si“ Schöpfungsverantwortung zu übernehmen, als Einzelne*r und als Kirche insgesamt.

Auch das Gebetsanliegen von Papst Franziskus für den Monat Oktober folgt dieser Haltung von Mitverantwortlichkeit: „Beten wir für die Kirche, dass sie auf allen Ebenen einen Lebensstil führe, der von Hören und Dialog geprägt ist, und sich vom Heiligen Geist bis an die Peripherien der Welt führen lässt.“ Eine hörende und sehende Kirche richtet den Blick in die Welt und fragt danach, was wir für diese Welt sein können. Wofür sind wir als Kirche da? Wer sind wir als Kirche im Viertel, in der Stadt, in unserem Land und in dieser Welt?

Als Teil der Weltkirche geht unser Blick immer auch über unseren eigenen Kirchturm hinweg, hinaus in die Welt. Unter dem biblischen Leitwort: „Ihr seid das Salz der Erde“ richten wir am Weltmissionstag den solidarischen Blick zu den wenigen verbliebenen Christen in Syrien und im Libanon. Trotz zerstörter Infrastruktur, Unsicherheit und Kriegssituation, stellen sie sich in den Dienst der Ärmsten und sozial Schwächsten. In unseren Eucharistiefeiern wollen wir für die verbliebenen Christen und ihren unermüdlichen Einsatz vor Ort beten. Diese Menschen aus Syrien und anderen Ländern begegnen uns nach ihrer Flucht auch in unseren Gemeinden und Gottesdiensten. Ist es uns bewusst, was sie durchgemacht haben? Wie war das Leben vor der Flucht aus Syrien? Vielleicht bietet sich gerade im Oktober die Gelegenheit, zu fragen.

Oktober ist auch die Zeit, die mich an die Vergänglichkeit erinnert. Der Sommer mit seiner Leichtigkeit ist vorbei. Es wird merklich früher dunkel. Die Natur verändert sich. Die Zeit verrinnt, das letzte Viertel des Jahres hat begonnen. Die kalte und graue Jahreszeit kommt. Es ist der Monat, der mich melancholisch und nachdenklich macht: Was war? Was kommt? Bin ich Salz der Erde?

Der Oktober hat für mich viele Gesichter. Er ist Erntezeit und eine Zeit der Veränderung. Ich schaue und höre in mich und in die Welt. Mir wird klar; ich bin Teil dieser Veränderung.

Heiko Litz, Gemeindereferent
Fotos: St. Bonifatius Wiesbaden
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