St. Bonifatius Wiesbaden

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Heiliger

Heiliger des Monats: „Viva San Gennaro“

Gemeindebrief, Theologie SpiritualitätPhilippe Jaeck

Neapel, es ist Samstag, 4. Mai 2019, es regnet in Strömen. Ausgerechnet heute! Es soll doch die große Prozession vom Dom über den Spaccanapoli zu Santa Chiara gehen… Es waren schon die Silber-Büsten der Heiligen für diese Prozession über und über mit Blumen geschmückt, die Büste von San Gennaro (Hl. Januarius) mit goldener Mitra und rotem Chormantel versehen.

Nur diese Büste wird heute bewegt, denn, auch wenn der Regen inzwischen aufgehört hat, findet jetzt alles nur im Dom statt. Zuerst wird die Büste von der Capella del Tesoro di San Gennaro zum Altar gebracht. Im Dom werden Psalmen gesungen und gleichzeitig dringt vom Portal die Blasmusik der Carabinieri u.a. mit dem unvermeidlichen „Funiculi Funicula".

Dann der Einzug der Priester und des Erzbischofs Kardinal Sepi. Nach der Eröffnung der Messe holt der Erzbischof aus dem Tresor in der Capella del Tesoro die Ampullen. Während Gebete gesprochen werden, dreht der Erzbischof das Gefäß mit den Ampullen. Eine angespannte Stille… endlich das geschwenkte weiße Tuch und der erlösende Ruf: „E' liquido!“ (es ist flüssig)! Applaus bricht aus und Rufe erschallen: „Viva San Gennaro!“.

Das Blutwunder hat wieder stattgefunden!

Der Erzbischof trägt später die Ampullen mit der sichtbar flüssigen roten Flüssigkeit zur Bestätigung durch den Dom. Nach dem Segen gehen die Neapolitaner beruhigt, denn wenn das Blut flüssig wird, ist drohendes Unheil erstmal abgewendet, und den Blumenschmuck der Büsten der Heiligen plündernd, nach Hause.

Als Außenstehender bin ich von dem Geschehen gleichermaßen fasziniert und befremdet. Man muss wohl wirklich Neapolitaner sein…

Sicher aber kommt man nicht weiter, wenn wir als rational denkende Menschen danach fragen: ist dieses normalerweise verklumpte Etwas in den Ampullen wirklich Blut oder was kann die Verflüssigung auslösen?

Im Blutwunder verdichtet sich diese faszinierende Mischung aus tiefem Volksglauben und unterschwelligem Aberglauben, der man in Neapel ständig begegnet.

Schauen wir erstmal auf den Anlass für dieses Geschehen, das dreimal im Jahr erwartet wird?

Es geht um den Heiligen Januarius. Er war in der Zeit des römischen Kaisers Diokletian, des konsequentesten Christenverfolgers, Bischof. Doch nicht wie man annehmen könnte in Neapel, sondern in Benevent! Er wollte wohl in dieser Verfolgung Gefährten in Pozzuoli bei Neapel beistehen und wurde an einem Krater in den Phlegräischen Feldern als Märtyrer enthauptet. Seine Reliquien wurden später nach Neapel in die nach ihm benannten Katakomben (nicht nur in Rom gibt es Katakomben) gebracht. So wird er zum Patron Neapels. Die Reliquien werden zwar immer wieder an andere Orte verbracht, so waren sie länger an seinem Bischofssitz Benevent, bis sie endgültig ihren Platz im Dom zu Neapel finden. Im Jahr 1389 wird dann auch das Blutwunder zum ersten Mal bekundet. Nach einer Legende soll eine fromme Frau das Blut des Enthaupteten aufgefangen haben. Dieses "Blut", das normalerweise eine verklumpte Masse ist, verflüssigt sich in der Zeremonie durch Gebet und Drehen des Reliquiars mit den Ampullen. Dies Geschehen soll sich an drei Terminen im Jahr ereignen: am Vorabend des ersten Sonntags im Mai, am 19. September (dem offiziellen Gedenktag des Heiligen) und am 16. Dezember.

Diese Termine hängen zum Teil mit den Reliquien Transporten zusammen. Der Dezembertermin wird auf eine Warnung vor einem Ausbruchs des Vesuvs zurückgeführt. Darin liegt auch die Bedeutung für die Neapolitaner. Denn das Leben in dieser Region ist im wahrsten Sinne ein „Tanz auf dem Vulkan“! Sowohl vom bekannten Vesuv, aber noch viel mehr von den Phlegräischen Feldern um Pozzuoli, einem Supervulkan und Ort des Martyriums von San Gennaro, gehen gewaltige Gefahren aus. Es ist nicht die Frage, ob der eine oder andere Vulkan ausbricht, sondern wann er ausbricht. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf die Mentalität der Neapolitaner! Aber bei allen abergläubischen Elementen ist es doch letztlich der starke und auch stärkende Glaube, dass ihr San Gennaro für sie den göttlichen Schutz erbittet!

So Gott will, werde ich dieses Jahr am 19. September, dem Gedenktag des Hl. Januarius wieder mit den Neapolitanern im Dom dem Eintreffen des Blutwunders entgegen fiebern. Wenn es gewünscht wird, kann ich dann gerne wieder davon berichten.

Viva San Gennaro!

Pfr. Matthias Ohlig