In dieser Rubrik wird jeden Monat der Heilige des monats vorgestellt. Die katholische Kirche verehrt über 6000 Heilige und Selige. Einige sind sehr populär, viele jedoch weithin unbekannt. Die Heiligen werden als unsere Fürsprecher bei Gott angesehen. Daher lohnt es sich, sie immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Gut, ihn als „Wiesbadener“ zu bezeichnen ist etwas vermessen. (Mainz-) Kastel, heutzutage ein Stadtteil von Wiesbaden, ist wohl der Ort seines Martyriums. Doch damals herrschten ganz andere geographische Verhältnisse. Die linksrheinisch gelegene große Militärsiedlung Moguntiacum mit dem rechtsrheinisch vorgelagerten Castellum und der Siedlung Aquae Mattiacum (heute: Mainz, Kastel und Wiesbaden) bildeten zusammen eine römische Militärregion.
Wahrscheinlich zur Zeit der großen Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian wird ein Angehöriger der Legion namens Ferrutius um des Glaubens willen, wohl im Castellum, eingekerkert und verhungert dort kläglich.
Die Quellenlage ist äußerst dürftig! Mehr als diese vagen Informationen gibt es erstmal nicht über unseren Heiligen.
Im Relief über dem Hauptportal von Dreifaltigkeit ist in der unteren Reihe zu sehen:
In der Mitte Maria, nach ihr links Bonifatius, Katharina, Mauritius, Elisabeth; nach rechts Hrabanus Maurus (Erzbischof Mainz), Georg, Hildegard und dann Ferrutius.
Die Bedeutung des Heiligen Ferrutius liegt vielmehr in der Wirkung auf unsere Region bis heute. Denn es entwickelt sich bald vor Ort die Verehrung dieses Märtyrers.
Es bleibt aber nicht bei der örtlichen Verehrung im heutigen Kastel. Bischof Lullus, Schüler und Nachfolger des Heiligen Bonifatius (!), erkennt die Chance, in den damals noch unwirtlichen Taunus hinein zu wirken. Er gründete 778 in Bleidenstadt (heute ein Stadtteil von Taunusstein) ein Kloster und lässt die Reliquien des Heiligen Ferrutius dorthin schaffen. Er legt mit diesen Reliquien quasi den Grundstein für eine über 1200 jährige Geschichte von Glaube und Kultur in der Region. 812 weiht der Nachfolger, Bischof Richulf, die Klosterkirche. So ist St. Ferrutius in Bleidenstadt die älteste Kirche im Bistum, wahrscheinlich sogar rechts des Rheins überhaupt.
Es entwickelt sich eine Wallfahrt und das Kloster setzt mit Niederlassungen Landmarken, u.a. im heutigen Wiesbadener Gebiet: in Schierstein, Frauenstein, Kloppenheim und Bierstadt. Bis ins späte Mittelalter bleibt das Kloster offen für alle Schichten.
Es gibt gute Verbindungen zum Hause Nassau. Mehrere Angehörige dieses Hauses waren Mönche in Bleidenstadt. Die Nassau-Idsteiner sind auch Schutzmacht für das Kloster, das aber immer ein Eigenkloster des Erzbistums Mainz bleibt.
Ab dem 15. Jahrhundert wird aus dem Kloster allerdings ein Ritterstift nur für Adlige.
Im Dreißigjährigen Krieg wird das Stift zerstört und erreicht nie mehr die frühere Bedeutung. Im Zuge dieser Katastrophe werden die Reliquien des Ferrutius nach Mainz in Sicherheit gebracht. Dort gehen sie später allerdings in den Wirren der Französischen Revolution verloren.
Doch damit geht die Wirkung des Heiligen nicht mit verloren. Bleidenstadt bleibt im protestantischen Umfeld eine lebendige katholische Gemeinde. Bis heute ist diese Gemeinde, heute Kirchort der Pfarrei Heilige Familie Untertaunus, lebendig mit vielen hoch engagierten Aktiven. Als Pfarrer von St. Ferrutius habe ich dies vor Ort erlebt.
Auch habe ich vor zwei Jahren im Gemeindebrief schon einmal von der „Bleischter Kerb“ rund um St. Ferrutius erzählt. Übrigens gibt es in unserer Pfarrei auch ein Zeugnis der Wirkung von Ferrutius: er ist auf dem Relief über dem Hauptportal der Dreifaltigkeit Kirche zusammen mit anderen Heiligen, die Bedeutung für unsere Religion haben, dargestellt.
Pfr. Matthias Ohlig